Gabriel Duttler, Boris Haigis (Hrsg.): Ultras. Eine Fankultur im Spannungsfeld unterschiedlicher Subkulturen. (Bielefeld) 2016. 350 Seiten. ISBN 978-3-8376-3060-2. D: 29,99 EUR, A: 30,90 EUR, CH: 40,10 sFr.
Kulturen der Gesellschaft, Band 17.
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Gabriel Duttler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg; Co-Herausgeber Haigis ist Rechtsanwalt und Mitarbeiter des „Instituts für Fankultur e. V.“, ebenfalls in Würzburg.
Die Mehrzahl der Verfasserinnen und Verfasser ist in den 1980er Jahren geboren; durchweg junge Sozial- und Erziehungswissenschaftler, die die Ultras für „die zahlenmäßig größte Jugendbewegung in Deutschland“ (S. 288) halten und von „rund 25.000 Aktiven“ (S.11) ausgehen.
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Nach einem 40seitigen Einleitungskapitel der Herausgeber folgen 16 Beiträge, die auf sieben Kapitel verteilt sind:
Die Beiträge sind untereinander nicht gut abgestimmt. Wer sie hintereinander liest, ist verstimmt darüber, dass sich vieles wiederholt.
Seit Beginn der Fanforschung in den 1980er Jahren gehört die Dreiteilung der Fußballanhänger in „konsumorientierte“, „fußballzentrierte“ und „erlebnisorientierte“ Fans zum feststehenden Wissensbestand. Mit den Ultras, so scheint es, tritt eine neue Kategorie hinzu, die „kritischen Fans“. Sie leben und leiden nicht nur von Spieltag zu Spieltag mit ihrem Verein, sondern kritisieren den kommerziellen Wandel des Fußballsports und seine „Eventisierung“. Sie protestieren gegen zu hohe Eintrittspreise, gegen die Versitzplatzung der Stadien und die Verschandelung durch Werbung, gegen das „Fernsehdiktat“ (S. 291) von Spieltagen und Anstoßzeiten, gegen die „gezähmte Begeisterung“ durch das Verbot von Stimmungsmachern im Fanblock etc. Ultras üben eine auf den Profifußball übertragene Kapitalismuskritik light.
Die Wiege der Ultras liegt in Italien (vgl. S. 117) und geht auf die 1960er Jahre zurück. Seit den 1990er Jahren prägen die Ultras auch in Deutschland die Stimmung in Städten und Stadien.
Ultras sind leidenschaftliche Fußball-Fans, beseelt von einer bestimmten Mission, die man eigens in einem „Ultra-Manifest“ niedergelegt hat, das einem Parteiprogramm nicht unähnlich ist. Um sie vom Normal- oder Feierabend-Fan zu unterscheiden, werden Ultras im Buch wiederholt „Extremfans“ genannt. (S. 198, S. 229 u. a.) Ein „Ultra“ zu sein ist wie ein „Punk“ zu sein: es ist eine Lebenseinstellung. Von „Ultra-Identität“ ist wiederholt die Rede.
Ihre Leidenschaft, Identifikation und Hingabe gelten weniger den elf Spielern, die gerade für ihren Verein spielen, sondern vielmehr dem Verein, seiner Tradition, seinen Farben, seiner Spielstätte und der Stadt, aus der er hervorgegangen ist. Ultras sind konservative Lokalpatrioten. Sie widersetzen sich der geldwerten Ausweidung des Fußballspiels, die aus den elf Angefeuerten auf dem Platz jährlich wechselnde Wander-Millionarios ohne Vereins-Identifikation macht. Auch die „Entrechtung“ der Fans (durch Ganzkörperkontrollen, Videoüberwachung und willkürliche Stadionverbote) ist ein großes Thema.
Während des Spiels besteht ihr „Support“ aus dem, was nicht nur der Stadionbesucher, sondern auch jeder Fernsehzuschauer kennt: Fahnen-Meere, 90-minütige Dauergesänge, skandierte Anfeuerungen, bengalische Feuer, Choreografien nordkoreanischen Ausmaßes und dazu die üblichen Scharmützel: Verhöhnung des Gegners, Beleidigung des Schiedsrichters und Provokation der Polizei.
Ultras stellen für das gesellschaftliche System eine verkraftbare Unangepasstheit dar, deren folkloristisches Gewand obendrein kommerziellen Mehrwert abzuwerfen verspricht. Am vorgenannten Beispiel der Vermarktung des Totenkopf-Symbols wird das deutlich. – Ein entlarvendes Buch!
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